Hören Sie auf , Ihre Mitarbeitenden irgendwo „abzuholen“ oder „mitzunehmen“

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Wenn wir über Organizational Change oder Transformationsvorhaben reden, höre ich nahezu immer folgenden Satz: „Wir müssen unsere Belegschaft mitnehmen.“ Oder auch: „Wenn wir das ganze Vorhaben kommunizieren, müssen wir die Mitarbeiter abholen.“ Ich weiß nicht, wie es Ihnen bei diesen Sätzen geht? Mir ist dann klar, dass wir hier noch mal ganz von vorn anfangen müssen.

Der Organizational Change Impuls

Es gibt unzählige Beispiele dafür, wie der Impuls eines notwendigen Changes ein Unternehmen treffen kann. Wird dieser von außen induziert, sind dies bestenfalls sich langsam verändernde Kundenwünsche. Im radikalsten Falle taucht am Ende des Horizonts ein Start-up auf, welches das gesamte Geschäftsmodell radikal disruptieren möchte. 

Ebenfalls denkbar ist ein Veränderungsimpuls von innen. Der Vorstand, die Geschäftsführung oder der Inhaber passt die Vision seines Unternehmens an. Dies erfordert eine andere Strategie in der Umsetzung. Die Gründe hierfür können ebenfalls vielfältig sein. Oftmals ist es aber die Weitsicht eines sich verändernden Marktes oder andere Business Opportunities. 

Wo auch immer der Organizational Change Impuls auf ein Unternehmen trifft, sind echte Leadership-Qualitäten und Führung gefragt! Denn der nun anstehende Veränderungsprozess stellt das Unternehmen und vor allen Dingen die Mitarbeitenden vor große Herausforderungen. Diese Herausforderungen ordentlich zu managen, ist Aufgabe der Führungsspitze. Leider bestehen sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, was genau das bedeutet.

Der Kardinalsfehler

Ist der Impuls der Veränderung erst einmal im Unternehmen angekommen, macht sich das Management auf, den Change zu planen. Dies geschieht dann beispielsweise in abgeschlossenen externen Klausurtagungen oder – mein Favorit, weil selbst erlebt – in sogenannten Stopover-Workshops. Fragen Sie Mitarbeitende, welche konkreten Impulse daraus in das Unternehmen kommen. Die Meinungen darüber sind oft nicht gespalten, sondern einhellig – aber eben nicht besonders positiv. Denn die meiste Kraft in diesen externen Führungskräfteworkshops wird auf die folgenden drei WIE-Punkte gelegt:

  • … sollen mögliche Veränderung im Unternehmen aussehen? 
  • … können wir dies umsetzen?
  • … wollen wir das Veränderungsvorhaben „kommunizieren“?

Merken Sie was? Ganz genau …

Wenn das „WIE“ schon feststeht, müssen Sie zwangsläufig sehr lange darüber nachdenken, wie das Ausgedachte an die Betroffenen weitergeben werden soll. Und daher kommt bei Veränderungsprozessen automatisch der Gedanke auf, die Mitarbeitenden erst einmal abzuholen oder mitzunehmen. Ja, klar ist das so, denn Sie müssen sich erst einmal erklären. Das Problem beim Abholen oder Mitnehmen ist allerdings, dass Sie dann bereits über den Weg, also das „wie“, entschieden haben. Dann wollen Sie nämlich schnell agil werden, mit Scrum und Kanban arbeiten oder die Organisation neu aufstellen. Und dafür haben Sie als Management schon einen Plan gemacht, weil nur Sie genau wissen, wie das am besten umzusetzen ist. Eine zentrale Frage dabei bleibt leider oftmals offen: Warum machen Sie all dies und was ist Ihr Ziel dabei?

Immer wieder verweise ich an dieser Stelle gern auf den Klassiker von Simon Sinek:

Die Frage nach dem Why

Egal ob Unternehmenslenker oder Führungskraft: Selten bekomme ich auf die Frage nach dem Warum eine klare Antwort. Dabei ist eine klare Antwort ebenso essenziell wie ein Elevator Pitch für ein Start-up. Wenn Sie nicht in wenigen und verständlichen Sätzen sagen können, was das Problem ist, warum Sie es lösen wollen und was Ihr Ziel ist, hört Ihnen keiner zu. Und dann kommt auch keiner mit – auch wenn Sie versuchen, ihn oder sie irgendwo abzuholen oder mitzunehmen. Stattdessen bleiben die Menschen da, wo sie jetzt sind: in ihren alteingesessenen Modi und lassen sich im Zweifel sagen, was genau sie wie tun sollen. Das dabei entstehende Problem ist so vielschichtig, dass es zu einer immensen Hürde im Transformationsvorhaben wird:

  • Wenn das Warum und das Ziel nicht klar, verständlich und nachvollziehbar herausgestellt werden, ist auch das Organizational Change oder Transformationsvorhaben nur eine „weitere Sau, die durch das Dorf getrieben wird“ – wie auch die letzten und vorletzten Maßnahmen des Managements, die aus Sicht der Mitarbeitenden ebenfalls nichts gebracht haben. So verliert die Belegschaft schrittweise das Vertrauen in das Management.
  • Die Mitarbeitenden bekommen bei anstehenden Veränderungen oftmals Angst um ihren Job. Natürlich, denn Veränderung erzeugt Unsicherheit. Viele verhalten sich dann irrational und am Ende kontraproduktiv. Kopfmonopole bilden sich (noch stärker) aus und die so dringend benötigte Offenheit und Transparenz wird alles andere als gelebt.
  • Das Transformationsvorhaben wird ohne ein klares und inspirierendes Warum immer ein Projekt des Managements sein und nicht als gemeinschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden. Die notwendige Identifikation aller, welche zwangsläufig bei Veränderungsprozessen benötigt wird, wird nicht hergestellt. Wie auch?
  • Die digitale Transformation fordert Unternehmen vor allen Dingen in der hohen Geschwindigkeit heraus, wie sie auf Veränderungen von Technologien und/oder Märkten reagieren müssen. Dies verlangt den Abbau langer Entscheidungswege und verlagert mehr Verantwortung auf den einzelnen Mitarbeitenden. Dieses Mehr an Verantwortung kann nur intrinsisch getrieben übernommen werden, weil sonst die Balance zwischen Leistung und Gegenleistung nicht mehr stimmig ist. Das Gehirn macht das nicht mit.

Culture eats strategy for breakfast

Dieses bekannte Zitat Peter Duckers kann man getrost über jeden Changeprozess oder jedes Transformationsvorhaben schreiben. Das Erstaunliche ist, dass viele diesen Ausspruch zwar kennen – sich aber dennoch nicht daran halten. Denn auf die eigene Unternehmenskultur zu schauen und genau hier mit den ersten Veränderungen zu starten, erzeugt auf den ersten Blick keine riesigen Erfolge. Es sind nämlich unendlich viele kleine Schritte, die zu gehen sind. Unendlich deshalb, weil das Arbeiten an der Unternehmenskultur nie endet. Niemals. Und wenn Sie kein Start-up aus Berlin, München oder dem Silicon Valley sind und Ihre Kultur von null auf gestalten können, haben Sie eine gewaltige Aufgabe vor sich. Das ist dann echte Veränderung!

Es wird am Ende wenig nutzen, wenn Sie sich eine Veränderungsstrategie zurechtlegen und versuchen, diese mit den bekannten Managementwerkzeugen an Ihre Mitarbeitenden weiterzugeben. Mittlerweile gehe ich soweit und behaupte, dass selbst die von mir gehaltenen Führungskräfteworkshops, in denen wir in 3 Tagen erklären, was heute Leadership bedeutet, so gut wie gar nichts bringen. Echtes Leadership basiert nämlich auf einer Haltung – und diese ändert sich ab einem bestimmten Zeitpunkt im Leben nicht mehr. Laut Manfred Spitzer, einem der besten und renommiertesten Hirnforscher unserer Zeit, ist die Entwicklung jenes Teils unseres Gehirns, in dem Denken, Wollen, Handeln und auch Werte, Haltungen, Einstellungen und Ziele entstehen, mit Mitte 20 abgeschlossen.

Das heißt, dass ab dann grundlegende Veränderungen so gut wie gar nicht, oder nur mit ganz erheblichem Aufwand und vermutlich nicht durchgehend umzusetzen sind. Schon gar nicht von heute auf morgen. Der direktiv führende Micro-Manager von heute wird nicht die partizipativ-kooperative Führungskraft von morgen sein. Und ohne das richtige Umfeld und die passende Unternehmenskultur brauchen Sie auch nicht mit agilen Methoden, Spotify-Organisationsmodellen oder OKR um die Ecke kommen. Auch wenn Sie versuchen, Ihre Mitarbeitenden abzuholen oder mitzunehmen, dies wird in den allermeisten Fällen zum Scheitern verurteilt sein. Culture eats strategy for breakfast.

Was also tun?

Starten Sie bei sich selbst und „kehren Sie die Treppe von oben“. Werden Sie sich darüber klar, wo Sie mit Ihrem Unternehmen hinwollen, was Ihre Vision ist? Warum braucht es jetzt eine Veränderung im Unternehmen? Feilen Sie an dieser Vision jeden Tag und ebenso lang wie ein Start-up an seinem Elevator Pitch. Das „Why“ sollten Sie auch jemandem inspirierend und mitreißend erklären können, der von Ihrem Geschäft keinerlei Ahnung hat. Verändern Sie Ihren Blickwinkel und kommen Sie heraus aus der operativen Sicht: Nicht die Dienstleistungen oder Erzeugnisse des Unternehmens sind Ihre Produkte; Ihr Produkt ist jetzt Ihr Unternehmen! Arbeiten Sie also nicht im, sondern an Ihrem Unternehmen. 

Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, dass Ihnen alle folgen werden. Das wird so nicht passieren und ist auch nicht schlimm. Es ist eben nicht nur eine Veränderung in Ihrem Unternehmen, es ist auch eine Veränderung eines jeden selbst. Bereiten Sie sich und Ihre Mitarbeitenden genau darauf vor. Sprechen Sie diese Wahrheiten aus. Es werden Mitarbeitende auf der Strecke bleiben, aber auch für jene wird es Lösungen geben. 

Sprechen Sie über Ihre Vision für das Unternehmen und die Ziele, die sie sich gesetzt haben. Machen Sie klar, dass Veränderung für Sie oben, nämlich bei Ihnen selbst beginnt. Fangen Sie gleich heute damit an (und um es vorwegzunehmen, ein Kickertisch in der Kantine reicht nicht aus). Sie persönlich können jeden Tag eine kleine Veränderung umsetzen. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Verzicht auf den Führungskräfteparkplatz? Ordnen Sie das nicht an, machen Sie es einfach. Schauen Sie sich Ihre Führungskräfte an und überlegen Sie, wer Ihrer Vision folgt. Wer bringt die richtige Haltung mit? Konzentrieren Sie sich in der Arbeit und in dem miteinander Zeit verbringen auf genau jene Menschen. Konsequent.

Ihre Mitarbeitenden werden diese Veränderung wahrnehmen. Es wird mehr Offenheit einkehren, die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander. Sie werden ein größeres Commitment spüren, das ohne Druck und Einschüchterung von oben erzeugt wird. Die Mitarbeitenden werden wieder anfangen, selbst an Lösungen zu arbeiten. Und viel wichtiger:

Die Menschen werden Ihnen folgen – Sie müssen sie nicht abholen.

Titelbildquelle für Originalbild: Photo by National Cancer Institute on Unsplash

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