Innovationsprojekte brauchen Ihre besten Mitarbeiter – Vollzeit!

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Mit Sicherheit kennen Sie die Situation, auch ich treffe sie immer wieder in verschiedensten Unternehmen an: Mitarbeitende, die in einer klassischen Linienorganisation mit Wissens- oder Schreibtischarbeiten beschäftigt sind, werden irgendwann in ein Projekt abberufen. Natürlich nicht Vollzeit, denn sie werden ja im operativen Tagesgeschäft noch gebraucht! Weil die tägliche Arbeit nebenher noch weiterlaufen muss, wird dem Mitarbeiter eine Teilnahme an einem Projekt zu 20%, 50% oder 80% angeboten. Das klappt dann schon, irgendwie. In der Realität ist das aus vielerlei Hinsicht Blödsinn.

Effektive Arbeitszeit und Arbeitseffizienz

Schauen wir uns zunächst das mit der 40-Stunden-Bruttoarbeitszeit pro Woche einmal genauer an. Realistisch betrachtet steht ein Mitarbeiter nicht zu 100 % – also über 5 Tage die Woche á 8 Stunden Arbeitszeit – für Tätigkeiten zur Verfügung. Unseren Mitarbeitenden steht auch Urlaub zu und wir sollen und müssen für Weiterbildung sorgen. Das statistische Bundesamt sagt zudem, dass im Jahr 2019 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland durchschnittlich 10,9 Arbeitstage krankgemeldet waren. (Das Jahr 2020 lasse ich einmal aus der Betrachtung aus). Ausgehend von 250 Arbeitstagen pro Jahr ergibt sich zunächst folgende, reale Sicht:

Brutto Anwesenheit nach Urlaub, Krankheit und Weiterbildungstagen
Brutto Anwesenheit

In einer umfassenden Studie zur Arbeitseffizienz aus dem Jahr 2013 (https://www.buero-kaizen.de/presse/studienergebnisse/studie-2013/) wurde zudem folgendes festgestellt:

  • Ineffektive Strukturen
  • Ablenkungen wie Such- und Wartezeiten
  • unwichtige Anrufe
  • Unterbrechungen durch Kollegen
  • unklare Absprachen
  • Datenverlust und
  • Schnittstellenprobleme

summieren sich auf insgesamt zwei Tage in der Woche. Wohlgemerkt, das sind Ineffizienzen, die nicht vom Mitarbeitenden selbst verursacht werden.

  • Ablenkungen: Der Arbeitszeitverlust durch Ablenkungen beträgt durchschnittlich 23 %.
  • Ineffizienz: Der Arbeitszeitverlust durch ineffiziente Arbeitsorganisation beträgt durchschnittlich 25 %.

(Die Studie kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass diese Ineffizienzen oftmals durch Überstunden (16 % der Arbeitszeit) ausgeglichen werden. Dies soll aber hier nicht vertiefend unser Thema sein.) Wir gehen also davon aus, dass effektiv 70 % der Arbeitszeit genutzt werden.

Damit verändert sich unser Bild wie folgt:

Berechnung und Chart von Brutto zu Netto Arbeitszeit inklusive Effizienzverlusten
Von den Arbeitstagen pro Jahr zur Netto-Arbeitszeit

Na, sind Sie geschockt? Ja, das war ich auch! Das sind sage und schreibe 42 % Verluste!

Tagesgeschäft versus Projektbeteiligung

Vor allen Dingen kleinere und mittlere Unternehmen stehen beim Staffing notwendiger Innovationsprojekte vor einer großen Herausforderung: Die Mitarbeitenden in den operativen Prozessen haben nicht nur die Fachkenntnisse, welche für innovative Projekte benötigt werden. Sie werden auch gleichzeitig noch weiterhin im operativen Geschäft benötigt. Diese Mitarbeitenden haben im Tagesgeschäft eine enorme Routine und Erfahrung gesammelt. Es scheint, dort sind sie schlicht nicht ersetz- oder verzichtbar.

Dieser Gedanke ist allerdings reines Kopfkino, denn im Grunde ist jeder verzichtbar. Dies offenbart sich vor allen Dingen immer dann, wenn durch unvorhergesehene Ereignisse diese Mitarbeitenden plötzlich über Wochen oder Monate nicht am Arbeitsplatz sein können. Auch dann geht das Geschäft weiter. Ist das Unternehmen etwas größer und hat eine ausgeprägte hierarchische Struktur, bedeutet die „Abordnung“ eines Mitarbeitenden in ein übergreifendes Projekt vor allen Dingen für die Führungskraft die vermeintliche Schwächung eines Teams, einer Abteilung oder eines Bereiches. Die vormals hart erkämpften Personalstellen werden nun praktisch entzogen und geben Anlass für Spekulationen zur eigenen Bedeutung im Unternehmen. Ein innerer Widerstand macht sich breit. Um dieses Dilemma zwischen Tagesgeschäft und Innovationsprojekt zu lösen, kennen viele Unternehmen zwei Standard-Antworten. Und um es vorweg zu nehmen, beide sind keine wirklich gute Idee.

Das Teilzeit-Angebot

Dem Mitarbeiter wird die Beteiligung in einem Innovationsprojekt zu einem bestimmten Anteil, beispielsweise zu 20%, 50% oder auch 80% der Arbeitszeit angeboten. „Ich bin zu 50% im Projekt“ – kommt Ihnen das auch bekannt vor? Leider ist Teilzeitprojektarbeit nicht nur in höchstem Maße ineffizient, es birgt am Ende das Potenzial, auch noch demotivierend zu sein.

Oftmals wird der von den Führungskräften so gern implizierte Vertrauensbeweis „mit mehr Verantwortung an den Mitarbeiter“ als Zusatzarbeit interpretiert. Hier stellt sich auch die Frage, ob der Mitarbeitende überhaupt eine Wahl hat, also ob er sich freiwillig auf das Projekt einlässt oder gewissermaßen hineingedrängt wird. Denn mit der Abordnung oder dem Angebot auf Abordnung auf ein Projekt muss zwangsläufig eine Reduktion der täglichen Aufgaben stattfinden. Hier geht es dabei nicht um ein Angebot, sondern um eine tatsächlich umzusetzende Maßnahme. Die Projektabordnung kann sonst verheerend wirken, denn implizit signalisiere ich damit meinem Mitarbeitenden, dass sie oder er bisher nicht 100% seines Leistungspotenzials eingebracht hat.

Schließlich bürde ich ihr oder ihm noch eine zusätzliche Aufgabe auf oder biete dies zumindest großzügig an. Man kann dies auch aus einem weiteren Blickwinkel interpretieren und eher in Richtung Führungskraft schauen: Bisher war es dann der Führungskraft nicht gelungen, das volle Potenzial des Mitarbeiters an den richtigen Stellen im Unternehmen einzusetzen. Mit dem Reduktionsangebot geht natürlich eine Auswahl der operativen Aufgaben einher, welche nun zu reduzieren oder zu delegieren sind. Da kann man sich vielleicht darüber unterhalten, was jetzt nicht mehr notwendig ist und völlig wegfallen kann. In der Mehrheit der Fälle wird man aber darüber nachdenken, welche Aufgaben an einen anderen Mitarbeitenden zu übertragen sind.

Was glauben Sie, welche Aufgaben wird der Mitarbeitende auswählen, die sie oder er operativ abgeben werden? Und wie wird sich diejenige Person im Unternehmen fühlen, die diese Aufgaben dann übernehmen darf? Je nach Typus des Teilzeit-Mitarbeitenden wird sie oder er entweder gar keine Aufgaben abgeben, weil sie sich selbst als unverzichtbar in diesem Bereich halten („Ehe ich das erklärt habe, mache ich es schnell selbst“). Oder es werden genau die Aufgaben versucht loszuwerden, die schon immer unangenehm waren.

Die Sublimierung

Die zweite, sehr oft vorgefundene Variante der Projektabordnung erinnert schon stark an das Peter-Prinzip und ist dort unter der geräuschlosen Sublimierung bekannt. Dabei werden eben nicht jene Mitarbeitenden um die Projektbeteiligung gebeten, welche die höchste Fachexpertise und -erfahrung mitbringen. Vielmehr wird die „Zweite oder Dritte Reihe“ abgesandt, um das operative Geschäft weiter am Laufen zu halten und den Eindruck zu erwecken, dass die Abordnung etwas Besonderes sei. Darauf möchte ich nicht im Detail eingehen. Nur soviel: Innovationsprojekte sind für das Vorankommen und die Zukunft Ihres Unternehmens essenziell.

Es ist keine Frage, dass zwangsläufig die besten Mitarbeiter in diesen Projekten arbeiten und eben nicht an der operativen, meist routinegefüllten Basis. Und natürlich sind die Mitarbeiter deshalb so erfolgskritisch wichtig, weil sie ihre operativen Prozesse sehr gut kennen und ein gewisses Abstraktionsvermögen mitbringen. Das hat vor allen Dingen etwas mit der Einstellung zur Arbeit, zum Unternehmen und mit der Leidenschaft für bestimmte Sachverhalte und Herausforderungen zu tun. Sie brauchen die besten Mitarbeitenden zu 100% im Projekt! Geben Sie Ihren Innovationsprojekten genau diese Wertigkeit und machen Sie keine Abstriche.

Die Effizienz der Projektarbeit

Zurück zur Projekteffizienz. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Methoden in Innovationsprojekten, so stellen wir fest, dass sie beispielsweise im meist verwendeten SCRUM Framework eine Meetingzeit zwischen 11 % und 14 % – unabhängig von der Sprintlänge – aufweisen (ca. 4,8 Stunden pro Woche). Im Vergleich zu anderen Projektmanagement-Methoden ist das sehr schlank und effizient, aber dennoch sind sie da: das Daily, Review, Planning und die Retrospektive (zum Vergleich: In der oben genannten Studie nennt die Erhebung, dass durchschnittlich ein Arbeitstag pro Woche (8 Stunden) für Besprechungen genutzt werden).

Diese hohe Effizienz in SCRUM ergibt sich allerdings nur durch ein Vollzeit-Commitment des Mitarbeiters. Denn auch wenn der Mitarbeitende nur zur 20 %, 40 % oder 80 % in dem Projekt aktiv ist, sind all diese Meetings Pflicht. Ja, Sie können nicht nur Dienstag und Donnerstag an der Daily teilnehmen und dabei glauben, dass Sie aktiv im Projekt mitarbeiten. Es ist auch nicht akzeptabel, dass die anderen Meetings immer genau dann stattfinden, wann Sie einmal Zeit haben. Damit führen Sie die Methodik ad absurdum. Diese Meetingzeit ist ein Fixum und ihr Anteil an der Gesamtprojekt-Arbeit steigt natürlich mit der abnehmenden Projektteilnahme.

Setzen Sie also einen Mitarbeiter nur zu 50 % (brutto 2,5 Tage pro Woche oder 20 Stunden) in einem Entwicklungsprojekt ein, so „schrumpft“ seine tatsächlich produktive Projektarbeit in diesem Projekt auf wöchentlich ca. 22 %, da die Meetingzeit bestehen bleibt. Um bei diesem Beispiel zu bleiben ist er nur noch ca. 9 Stunden wirklich „produktiv“. Ein bisschen mehr, als ein Arbeitstag. Die Grafik oben verdeutlichst das bei einer 40-Stunden-Bruttoarbeitszeit und einer Meetingzeit von 12 % (4,8 Stunden pro Woche).

Innovationsprojekte brauchen konsequent die besten Mitarbeiter

Nicht nur inhaltlich-fachlich sollten Sie Ihre Innovationsprojekte mit den besten Mitarbeitern besetzen. Auch sollten Sie dies mit aller Konsequenz tun. Beschreiben Sie ein klares Ziel des Projektes und geben Sie Ihren Mitarbeitenden die vollen Freiräume, diese umzusetzen. Nutzen Sie die sich auftuenden, operativen Lücken, um anderen Mitarbeitern neue Chancen einzuräumen. Ohne doppelten Boden und Fallback-Variante. Die Menschen werden sich der Verantwortung stellen. Unsere Angst, operative Exzellenz zu verlieren, ist reines Kopfkino. Viel wichtiger aber ist die Bündelung der erstklassigsten Mitarbeitenden, an der Zukunft des Unternehmens oder des Bereiches zu arbeiten. Dies sollte Ihnen mindestens genau so wichtig sein, wie das operative Geschäft – wenn nicht gar, noch wichtiger.

Three Key-Take-Aways

  1. Die Arbeitseffizienz wird vor allen Dingen durch Ablenkungen und wechselnde Tätigkeiten signifikant verringert.
  2. Teilzeit-Projektbeteiligungen verstärken diesen Effekt und können zudem demotivierend wirken.
  3. Innovative Projekte sollten immer Vollzeit mit den besten Mitarbeitenden gestaffed werden.

Weiterführende Links

Titelbildquelle: https://www.shutterstock.com/g/microstock3D

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