Warum wir uns mit den Zielmetriken so schwertun

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Ziele sind etwas Großartiges. Wir setzen uns gern Ziele. Zum Beispiel im privaten Umfeld, vor allen Dingen am Anfang des Jahres. Dann nehmen wir uns vor, mehr Sport zu treiben, uns gesünder zu ernähren, vielleicht etwas abzunehmen, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und vieles mehr. Alles wunderbare Vorhaben, aber leider eben keine wirklichen Ziele. Solange wir keine konkreten und messbaren Ziele für unsere Vorhaben definieren, bleiben es schlichte Vorhaben. Ausführlich habe ich mich mit dem Thema hier beschäftigt.

Wichtig ist es, die richtigen Zielmetriken, also jene Größen zu finden, anhand derer wir die Zielerreichung konkret messen können. Um bei den Beispielen von oben zu bleiben: Dies ist vielleicht beim Abnehmen oder der Zeit, die wir mit den Kindern verbringen, nicht ganz so schwierig und liegt auf der Hand. Wenn wir uns aber gesünder ernähren wollen, wird es schon schwieriger. Nicht anders geht es uns im unternehmerischen Umfeld. Warum also tun wir uns so schwer mit den Zielmetriken?

1. Es existiert gar kein unternehmerisches Ziel

Im betrieblichen Kontext geht es uns ähnlich. Starten wir ein Projekt, ein Programm oder vielleicht auch nur ein kleines Vorhaben, machen wir uns (hoffentlich) im Vorfeld Gedanken darüber, was genau unsere Ziele für diese Vorhaben sind und wie diese auf unsere übergeordneten Unternehmensziele einzahlen. Insbesondere im IT Umfeld tun wir uns dabei manchmal schwer.

Schauen wir beispielsweise in den Bereich ITBetrieb und Wartung, finden wir oftmals Projekte, deren Ziel sich am Ende gar nicht in unserem unternehmerischen Kontext als Mehrwert herausstellt. Vielmehr ist es eher eine Nutzen-Subkategorie. Denn wir sind uns ja, glaube ich, darüber einig, dass ein Upgrade des On-Premise laufenden Textverarbeitungsprogramms vordergründig keinen unternehmerischen Nutzen darstellt. Zumal wir oftmals auch herstellerbedingt zu Aktualisierungen im IT Umfeld gezwungen werden.

Wie gesagt, das ist für die Software gut. Ob es einen echten Kundennutzen erzeugt, ist erst einmal fraglich. Damit bleibt das zu erreichende Ziel etwas, was wir intern nicht verbinden können. Erkennen können wir solche Projekte oder Vorhaben daran, dass sie uns in den meisten Fällen von außen oktroyiert werden. Das Projekt soll und muss dann halt gemacht werden, bringen wir es so schnell wie möglich hinter uns. Wenn überhaupt, dann können wir uns hier auf ein Kostenziel einigen.

2. Das Ziel ist die neue Technologie, nicht der betriebliche Nutzen

Gehen Sie aber eher innovative Projekte mit einem explorativen Charakter an, sollten Sie sich schon über die Zielfrage in Klaren sein. Vor allen Dingen mit Ihren Auftraggebern. Was genau wollen wir damit eigentlich (unternehmerisch) erreichen? Und hier wird es dann schon schwieriger mit Zielen und Zielmetriken. Es ist erstaunlich, die tatsächliche Zielfrage scheint noch immer eher schwierig zu beantworten zu sein.

In der IT kennen wir dies nur zur Genüge: Da werden Projekte von den Fachbereichen unserer Organisationen initiiert, die hauptsächlich auf die Technologie und der damit verbundenen Hoffnung zielen, irgendetwas besser werden zu lassen. Was genau aber besser werden soll und wie wir dies dann feststellen wollen, da bleiben auch die Kollegen unkonkret.

Mit einer möglichen und sehr häufigen Ursache dessen, nämlich dem Ausgangssituation // Problem // Maßnahmen-Dilemma habe ich mich hier im Detail auseinandergesetzt: Der Weg ist eben nicht das Ziel. Und wenn schon von Anfang an nicht klar ist, was das eigentliche Ziel ist, dann wird es mit den Erfolgsmetriken dazu nicht gerade einfacher.

Wenn also wieder einmal ein Fachbereichskollege neben Ihnen steht und sich die Einführung einer speziellen Software wünscht, dann sollten Sie sehr intensiv mit ihr / ihm darüber reden, was das tatsächliche Ziel ist. Und damit meine ich wirklich ein Ziel, und nicht ein Vorhaben. In meiner Zeit als CIO habe ich immer wieder intensive Diskussionen mit der Marketingabteilung geführt, die unentwegt glaubte, eine Bilderdatenbank zu benötigen.

Dieses Projekt ist natürlich in der Priorisierungsmatrix des Projektportfolios nicht über einen unteren Platz hinaus gekommen. Und das haben die Kolleginnen damals selbstredend als ungerecht empfunden. Leider konnte auch niemand tatsächlich erklären, was uns eine solche Bilderdatenbank unternehmerisch bringt, außer eben eine solche Technologie im Einsatz zu haben. Über ein „da müssen wir nicht so lange suchen und können Verschlagworten“-„Ziel“ sind wir nicht hinausgekommen.

Klar war, dass wir damit auf kein einziges unserer zentralen, unternehmerischen Messgrößen eingezahlt hätten. Es hätte schlichtweg keinen unternehmerischen Mehrwert erzeugt. Es gab damit auch nichts zu messen. Im Gegenteil, solche Projekte binden wichtige Mitarbeiter, die wir anders sinnvoller einsetzen können. Eine solche Entscheidung müssen Sie dann aber auch aushalten, denn Freunde machen Sie sich damit nicht. Transparenz über Kategorisierungs- und Priorisierungsmechanismen im Projektportfolio-Management ist hierbei hilfreich.

3. Wir haben ein unternehmerisches Ziel, messen aber auf der falschen Ebene

Sehr gut sind wir hingegen darin, Ziele auf den operativen Ebenen zu beschreiben und auch zu messen. Wer kennt nicht das magische Projekt-Dreieck aus Scope, Zeit und Budget. Zeit und Budget können wir wunderbar messen. Werden wir den Meilenstein pünktlich erreichen? Werden wir im Budget bleiben? Zeit und Geld sind für uns wunderbar einfach messbar, weil es auch unserem täglichen Umgang entspricht. Daran werden dann auch die Projekte gemessen. Am Scope lässt sich im Detail noch feilen (und zur Not auch entsprechend hinbiegen).

Im agilen Umfeld ist beispielsweise das erfolgreiche Abschließen einer Anforderung ebenfalls sehr gut messbar. Hier wird methodeninhärent mittels Definition of Done und Akzeptanzkriterien genau definiert, wann die Anforderung erfüllt ist. Die Zeit ist festgelegt und folglich das Budget ebenso. Dies aggregiert sich auf die Sprintziele auf. Auch diese sind dann sehr gut messbar. Der Gap wird allerdings immer größer, je höher man in der Produktplanungspyramide nach oben rückt.

Produktplanungspyramide

Am „oberen“ Ende ist die Frage, ob die eigentlichen Projekt-Sponsoren oder Stakeholder die Ergebnisse eines Projektes am Ende dann tatsächlich als Mehrwert wahrnehmen oder ob die eigentlichen Ziele schon gar nicht mehr präsent sind. Dann wird deren Erreichen ebenfalls nicht messbar sein.

Bei der Zielformulierung gelangen Sie schnell auch zur SMART-Formel. Nahezu jeder kennt dieses Akronym, die Wenigsten aber halten sich daran. Auf unklare Ziele wie „wir müssen den Umsatz steigern“ oder „wir müssen die Kosten senken“, sollten wir uns daher gar nicht erst einlassen. Diese Dinge sind zwar messbar, aber in dieser Formulierung ist deren Erreichen nicht greifbar. In einer sauberen Auftragsklärung – auch intern – sollten wir auf hier auf eindeutige Metriken bestehen. Insbesondere bei ITProjekten ist dies wichtig, weil hier oftmals die Mittel den Zweck heiligen. Im Anschluss wundern wir uns dann, warum die Projekte aus dem Budget laufen oder nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Was ist es genau, was Sie mit dem Projekt auf der obersten Unternehmens-Ebene erreichen wollen? Prozesse effizienter machen? Die Kosten senken? Die Conversion Rate hochdrehen? Die Klickrate erhöhen? Mehr Kunden gewinnen? Mehr Umsatz generieren? Den Profit steigern? Was konkret wollen wir mit unserem Projekt erreichen?

Exakt darüber müssen wir uns mit unseren Kunden, Stakeholdern oder Product Ownern unterhalten. Bei diesem Gespräch müssen wir hartnäckig bleiben, weil diese Zieldefinition und das Finden ihrer Messgrößen gar nicht so einfach ist. Und dennoch müssen diese obersten Ziele herausgearbeitet und deren Messung explizit gemacht werden. Und zwar bevor wir mit dem Projekt starten.

Der legendäre Tom Gilb hat bereits auf der Agilia Conference 2016 in seinem Workshop „Turning Management Bullshit into Clear Quantified Objectives“ eindrucksvoll bewiesen, dass dies mit ein wenig Finger- und Kopfübung gelingen kann. Und das Ganze hat Tom auf Zuruf (den Bullshit) und Live am Beamer (die daraus zu findenden Metriken) erledigt.

Ziel-Metriken-Matrix

4. Die Angst vor dem Scheitern

Unsere innere Haltung zum Scheitern scheint uns bei der Zielmessung noch immer im Wege zu stehen. „Die Kosten senken“ ist eben leichter zu erreichen, als „die IT-Betriebskosten um mindestens 20% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu senken.“ Letzteres ist zwar ein gut formuliertes und mit einer Metrik versehenem Ziel. Es macht auch unser Erreichen dieses Zieles transparent. Und zwar auf der obersten Ebene der Organisation. Und je weiter nach oben wir in der Unternehmenshierarchie kommen, desto weniger ist die Offenheit zum Scheitern gegeben. Dabei stellt sich die Frage, was genau Scheitern in diesem Kontext eigentlich bedeutet.

Nehmen wir an, wir initiieren ein Projekt und setzen uns das Ziel, in den nächsten zwölf Monaten unseren Umsatz um 20 % zu steigern. Nach den zwölf Monaten stellen wir fest, dass der Umsatz nur um 15 % oder gar nur um 10 % gesteigert wurde. Sind Sie dann gescheitert? Das ist die Frage. Wichtig erscheint zunächst, dass ein Effekt erzielt wurde. Man muss sich also um die Bewertung der Metriken und der festgelegten Ziele ebenso Gedanken machen. Ziele müssen hochgesteckt sein, denn die Frage ist, hätten wir auch 10 % erreicht, wenn wir uns nur 10 % vorgenommen hätten? Und sind wir tatsächlich gescheitert, wenn wir die 20 % nicht erreichen?

Nicht nur unsere Haltung zum Scheitern steht uns im Wege, sondern auch variable Entlohnungsmodelle, die wir an diese Metriken knüpfen. Wenn also in der Zielerreichung des Projektleiters definiert ist, dass er mit dem Projekt 20 % Umsatzsteigerung erzeugen soll, dann wird er das auch schaffen. Er wird die Metriken so lange drehen, bis es nach 20 % aussieht. Und genau hier liegt die nächste Crux, die Kopplung von Entlohnungsmodellen und Zielen. Darauf gehe ich aber in einem späteren Eintrag ein.

Und genau diese Überlegungen sind eben auch schwierig. Was konkret wollen wir im unternehmerischen Umfeld damit erreichen? Und ich gehe noch einen Schritt weiter: wenn diese Ziele nicht klar definiert sind, sollte man das Projekt nicht starten. Sie werden scheitern, auch und vor allen Dingen, weil Sie nicht wissen, wann Sie erfolgreich sein werden.

Im Übrigen kann man alle möglichen Dinge mit Zielen versehen und diese auch messbar machen. Manchmal bedarf es einiger Konstrukte, aber es ist möglich. Und genau darauf müssen wir hinarbeiten. Am Anfang, nicht am Ende. Siehe Tom Gilb.

Three Key-Take-Aways

  1. Stellen Sie unbedingt vor dem Start eines Projektes die Ziele, deren Metriken und ggf. die Null-Messung klar.
  2. Sagen Sie das Projekt konsequent ab, wenn diese Ziele nicht messbar in die Unternehmensziele einzahlen.
  3. Knüpfen Sie an die Erreichung dieser Projektziele keinerlei Entlohnungs- oder Bonifikationsmodelle.

Weiterführende Links

Titelbildquelle: Photo by Igor Miske on Unsplash

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